Längst angekommen

1. April 2023

Wenn der KAV Mansfelder Land seine Heimkämpfe in der Ringer-Oberliga Sachsen-Anhalt bestreitet, sind die vielen Fans der Mannschaft in der Glück-Auf-Halle in Eisleben schlichtweg „aus dem Häuschen“.

Schon beim Verlesen der Aufstellung bejubeln sie ihre Helden. Dabei haben die eingefleischten Unterstützer der Eisleber Ringer in den letzten Kämpfen ein neues Gesicht im Team ausgemacht. Dreimal schon stand Artem Muratov im Team.

Und konnte dabei, wie schon mit seinem zweiten Platz beim Sparkassen-Pokal, mit Klasse-Leistungen überzeugen. „Artem ist auf jeden Fall eine Verstärkung für uns“, lobt dann auch Vereinschef Eik Kohlberg den Neuzugang, der die Herzen der Fans längst erobert hat.

 

Schnell heimisch geworden

In Charkiw in der Ukraine geboren, und unmittelbar nach Kriegsbeginn mit seinen Eltern geflüchtet, kam der 18-Jährige nach einigen Zwischenstationen in Deutschland durch Vermittlung von KSB-Chef Norbert Born nach Eisleben.

In der Lutherstadt wurde er schnell heimisch. Das wiederum lag nicht nur an ihm, sondern auch an seinen neuen Sportfreunden beim KAV.

„Bei uns steht Integration nicht nur im Programm geschrieben, wir leben auch Integration“, sagt Eik Kohlberg zur schnellen Eingliederung des ukrainers.

Und belgt die gelungene Integration im Verein auch mit beeindruckenden Zahlen: „Wir haben 140 Mitglieder aus zehn Nationen im Verein. Artem ist das beste Beispiel, dass die Integration funktioniert“

 

Dreimal pro Woche Training

Mittlerweile ist Artem Muratov Stammgast in der Ringerhalle des KAV. Nicht selten ist er dreimal pro Woche zum Training und mit vollem Einsatz dabei. Außerdem kümmert er sich um die immer größer werden Schar der Talente im Verein. Spaß haben er und die Kinder dabei gleichermaßen.

 

Dabei klappt die Verständigung immer besser. Beim Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung hilft allerdings Natalia Ketzenberg als perfekte Übersetzerin. „Artem kommt mit den Kleinsten auch ohne Worte klar, sie verstehen sich glänzend. Mit den Größeren klappt es mit einer Mischung aus Englisch und Deutsch. Außerdem versucht er zu Hause, seine Deutschkenntnisse immer weiter zu verbessern“, übersetzt sie. und fügt gleich ein Lob des Ukrainers an seinen neuen Verein hinzu. „Hier sind wir wie eine große Familie, alles sind lieb und herzlich zu mir. Außerdem haben wir sehr gute Trainer“.

Die hatte Artem Muratov auch im heimisch Chariw. Bilder mit vielen gewonnenen Pokalen sprechen von den sportlichen Erfolgen, die der 18-Jährige in seiner Heimat bei seinen Starts als Judoka bei nationalen und internationalen Turnieren eingesammelt hat. 34 Medaillen und neun Pokale hat er errungen, oder besser gesagt erkämpft.

 

Freunde fehlen noch

nun also ringt Muratov in Eisleben. Beim KAV hat er viele neue Freunde gefunden, vermisst aber natürlich seine vielen Freunde, die er in Chariw hat, noch. „Er versucht zwar, Kontakt zu halten. Aber weil das eben nur telefonisch funktioniert, fällt ihm das schwer“, übersetzt Natalia Ketzenberg.

So ist es auch für den Ukrainer nicht leicht, im Mansfelder Land neue Freunde oder eine Freundin zu finden. Bis jetzt gelang ihm das nur im Verein, also bei den Ringern. In seiner Freizeit ist er oft allein, joggt, hört Musik oder zockt am Computer.

An seine neue Heimat hat er sich schon nach und nach gewöhnt. Natalia Ketzenberg, selbst aus der Ukraine stammend, übersetzt und fügt eigene Erfahrungen hinzu, wenn man sie nach den gesammelten Erfahrungen und den Unterschieden zur Mentalität beider Länder fragt: „Deutsche zeigen ihre Emotionen nicht so offen wie wir. Sie sind nicht so heißblütig. Wir sagen und zeigen mehr als Deutsche. Und vieles ist hier komplizierter.“

An da Essen hierzulande hat sich Artem Muratov längst gewöhnt. Pommes, Nudeln und Kartoffelsalat hat er als seine Lieblingsgerichte ausgemacht. „Und vor allem Spanferkel“, fügt er hinzu. Ukrainisch wird dennoch oft gegessen. Dafür sorgt seine Mutter, die für ihn kocht. „Artem startet in der Gewichtsklasse bis 80 Kilogramm. Für ihn ist das kein Problem, das Gewicht zu halten“, so Eik Kohlberg. Und der Ringer selbst fügt hinzu: „Aber es gibt kein fettes Essen und keine Cola. Ich will meinen Körper pflegen und gut aussehen.“

 

Blick in die Zukunft

Beim Blick in die Zukunft hatArtem Muratov konkrete Vorstellungen. „Ich habe den Traum, einmal als Kindertrainer zu arbeiten. Ich mag Kinder, die Kinder mögen mich“, sagt er. Ob er diesen Wunsch in Deutschland oder in Kanada, hier lebt seine Schwester, in die Tat umsetzt, ist noch offen. „Wir wünsche uns, dass er bleibt“, so Eik Kohlberg.

Quelle: MZ 01.04.2023 – Ralf Kandel


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